Klin Padiatr 2011; 223(4): 236-241
DOI: 10.1055/s-0031-1271812
Originalarbeit

© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Psychische Arbeitsbelastung an einer Universitätskinderklinik – Ergebnisse einer Umfrage zum Belastungserleben und der resultierenden Mitarbeitergesundheit

Mental Job Strain in a University Children's Hospital – A Study on Stress Experience and the Resulting Employee HealthA. Hiemisch1 , 2 , W. Kiess1 , 2 , E. Brähler2 , 3
  • 1Klinik für Kinder und Jugendliche, Department für Frauen und Kindermedizin, Universitätsklinikum Leipzig
  • 2LIFE – Leipziger Forschungszentrum für Zivilisationserkrankungen, Universität Leipzig
  • 3Selbstständige Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie, Department für Psychische Gesundheit, Universitätsklinikum Leipzig
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Publication Date:
11 May 2011 (online)

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Zusammenfassung

Hintergrund: Ziel der Untersuchung war es, die psychische Arbeitsbelastung an einer Universitätsklinik und deren Folgen für die Gesundheit der Mitarbeiter zu erfassen. Außerdem sollten auslösende Faktoren identifiziert und im Anschluss der Untersuchung optimiert werden.

Methoden: Die Daten wurden mittels einer Mitarbeiterbefragung im November/Dezember 2006 erhoben. Es wurden alle Angestellten am Kinderzentrum des Universitätsklinikums Leipzig einbezogen. Insgesamt wurden 174 Bögen ausgefüllt zurückgegeben (Rücklauf: 51,5%). Als standardisierte Verfahren kamen die Irritations-skala von Mohr et al. [17] und die Kurzform des Gießener Beschwerdebogen GBB-24 von Brähler et al. [5] zum Einsatz. Weiterhin wurde eine eigenentwickelte Skala zum Belastungserleben verwendet.

Ergebnisse: Resultierend konnte ermittelt werden, dass über die Hälfte der Ärzte/Psychologen, ca. ein Viertel des Pflegedienstes und etwa jeder 10. der anderen Mitarbeiter an arbeitsbedingten psychischen Belastungsreaktionen leidet. Besonders bei Ärzten/Psychologen wurde zudem ein hohes Maß an psychosomatischen Beschwerden ermittelt. Übermäßiger Dokumentationsaufwand, Personalmangel und als zu gering wahrgenommene Anerkennung der Arbeit wurden von den Mitarbeitern der 3 Berufsgruppen als die größten Belastungen im Arbeitsalltag angegeben.

Schlussfolgerungen: Die einzelnen Berufsgruppen unterscheiden sich deutlich in der Auseinandersetzung mit der täglichen Berufsbelastung und ebenso in ihren Belastungsfolgen. Besonders Ärzte/Psychologen leiden unter der täglichen Beanspruchung in Abhängigkeit vom Lebensalter. Aus diesen Ergebnissen ergeben sich ein dringender Interventionsbedarf und weitere Forschungsansätze.

Abstract

Background: The aim of the following survey was to evaluate the mental job strain at an university hospital and its effect on the health of the employees. Furthermore the trigger factors should have been identified and optimized after the survey.

Method: The data were collected by an employee survey during November/December of 2006. All employees of the Hospital for Children and Adolescents of the University Leipzig were included. Overall 174 questionnaires were evaluated (response rate 51.5%). As standardized methods the Irritations-Scale of Mohr et al. [17] and the shortform of the Gießener Beschwerdebogen GBB-24 of Brähler et al. [5] were used. In addition a self designed scale for the measurement of strain-experience was applied.

Results: More than half of the physicians/psychologists, a quarter of the nursing staff and every tenth of the remaining employees suffered from work related mental stress disorder. Especially physicians and psychologists were additionally affected by psychosomatic symptoms. The main strain was caused by an excessive amount of documentation, the manpower shortage and the lack of appreciation.

Conclusions: The occupational groups differ as well in their ways of coping with the daily job strain as in its effects on the mental health. The health effect of the daily strain on physicians and psychologists seems to be age dependent. An urge for intervention can be derived from our results.

Literatur

Anhang

Tab. 1 An der Untersuchung teilgenommene Mitarbeiter nach Berufs- und Altersgruppe.

Mitarbeiter

Anzahl

<20 Jahre

20–29 Jahre

30–39 Jahre

40–49 Jahre

50–59 Jahre

>59 Jahre

keine Angabe

Teilnehmerquote

Ärzte/Psychologen gesamt

46

15

18

8

5

61,3%

davon Fach-/Ober-/Chefärzte/Psychologen

21

1

7

8

5

davon Assistenzärzte

17

8

9

davon PJ-Studenten

8

6

2

Pflege-/Erziehungsdienst

109

1

11

45

42

8

1

1

43,5%

sonstige Angestellte

17

1

0

3

8

5

47,2%

Tab. 2 Psychische Belastungsreaktionen bei den verschiedenen Berufsgruppen anhand Stanine-Mittelwertvergleichs der Irritationsskala (einfaktorielle Varianzanalyse mit anschließendem Scheffé-Test).

n

Gesamtirritation

kognitive Irritation

emotionale Irritation

M

SD

M

SD

M

SD

Mitarbeiter gesamt

159

5,69

2,05

6,00

2,20

5,28

2,05

Ärzte/Psychologen gesamt (ÄP)

36

6,58

1,81

7,14

1,74

5,92

1,99

Fach-/Ober-/Chefärzte/Psychologen

20

6,85

1,87

7,35

1,57

6,10

2,20

Assistenzärzte

16

6,25

1,73

6,87

1,96

5,69

1,74

(PJ-Studenten

7

5,43

1,27

5,71

1,60

4,71

1,70)

Pflege-/Erziehungsdienst (PE)

106

5,52

2,05

5,72

2,20

5,20

2,03

sonstige Angestellte (SA)

17

4,88

2,03

5,35

2,37

4,41

2,04

Signifikanztest (ANOVA mit Scheffé)

F

5,374

6,886

3,493

Gruppenunterschiede

ÄP/PE*

ÄP/PE**

ÄP/PE

ÄP/SA*

ÄP/SA*

ÄP/SA*

PE/SA

PE/SA

PE/SA

**Die Gruppenunterschiede sind auf dem Niveau von 0,01 signifikant

*Die Gruppenunterschiede sind auf dem Niveau von 0,05 signifikant

Tab. 3 Psychosomatische Beschwerdeskalen des GBB-24 und subjektives Wohlbefinden unterteilt nach Berufsgruppen sowie Test auf Mittelwertunterschiede (einfaktorielle Varianzanalyse mit anschließendem Scheffé-Test).

Ärzte/Psychologen

Pflegedienst

sonstige Angestellte

signifikante Berufsgruppen-

M

SD

n

M

SD

n

M

SD

n

unterschiede

subjektives Wohlbefinden

3,66

0,94

35

3,73

0,73

106

3,50

0,81

16

Erschöpfung

7,00

5,03

36

5,06

4,17

106

3,76

4,67

17

ÄP/SA*

Magenbeschwerden

2,14

3,31

36

1,89

3,00

106

1,06

1,89

17

ÄP/PE**

Gliederschmerz

4,06

4,39

36

6,94

4,82

105

7,00

5,54

17

ÄP/PE**

Herzbeschwerden

1,36

2,75

36

1,30

2,28

106

1,35

2,60

17

Beschwerdedruck

14,56

12,53

36

15,23

11,58

105

13,18

12,63

17

**Die Gruppenunterschiede sind auf dem Niveau von 0,01 signifikant

*Die Gruppenunterschiede sind auf dem Niveau von 0,05 signifikant

Korrespondenzadresse

Dipl. Psych. Andreas Hiemisch 

Universitätsklinikum Leipzig

Klinik für Kinder und Jugendliche

Liebigstr. 20a

04103 Leipzig

Phone: + 49/341/972 60 33

Fax: + 49/341/972 61 09

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